Ein internationales Forschungsteam zeigt in einer Studie im Fachjournal Nature: Vier der wichtigsten Kippelemente des Erdsystems verlieren zunehmend an Stabilität. Dabei ist ein besonders innovativer Aspekt der Studie die Berücksichtigung von Kopplungseffekten zwischen den untersuchten Kippelementen, denn bisher wurden die verschiedenen Kippelemente isoliert betrachtet.
Kippelemente sind kritische Schwellenwerte, deren Überschreiten unumkehrbare Veränderungen im Erdsystem nach sich ziehen. Sie markieren jene Kipppunkte, an denen das Systemverhalten abrupt in einen neuen Zustand übergeht, und dass mit dramatischen globalen Folgen. In ihrer aktuellen Publikation analysierte ein Team um Niklas Boers systematisch die Stabilitätsentwicklung von vier zentralen Erdsystemkomponenten: dem grönländischen Eisschild (siehe Abb. 1), der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC), dem Amazonas-Regenwald und dem südamerikanischen Monsunsystem.

Abb. 1: Abnahme der Masse des grönländischen Eisschildes. Die Daten auf Grundlage von Beobachtungen der Satelliten GRACE (2002–2017) und GRACE Follow-On (seit 2018) zeigen, dass Grönland zwischen 2002 und 2023 jährlich etwa 269 Gigatonnen Eis verloren hat. Dadurch stieg der globale Meeresspiegel um etwa 0,8 Millimeter pro Jahr an. Quelle: Scientific Visualization Studio, NASA.
Ihr Ergebnis ist eindeutig: Alle vier untersuchten Kippelemente zeigen über die letzten Jahrzehnte hinweg klare Anzeichen einer abnehmenden Resilienz. Für den grönländischen Eisschild bedeuten zunehmende Schmelzraten und Rückkopplungseffekte (abnehmende Albedo, zunehmende Bildung von Schmelzwasserseen) eine wachsende Instabilität. Ähnliches zeigt sich für die AMOC, deren Abschwächung bereits durch den zunehmenden grönländischen Süßwasserzufluss und veränderte Temperaturverhältnisse begünstigt wird. Auch der Amazonas-Regenwald und das südamerikanische Monsunsystem sind eng miteinander gekoppelt. Die vom Regenwald aufsteigende Feuchtigkeit hat starken Einfluss auf die Luftströmungen, die feuchtwarme Luft vom tropischen Atlantik ins Amazonasgebiet bringen. Wenn die Entwaldung zunimmt, schwächt sich die südamerikanische Monsunzirkulation ab, was zur Verringerung des Niederschlages im Regenwald führt.
Trotz methodischer Unsicherheiten liefern die Ergebnisse ein konsistentes Bild zunehmender Destabilisierung. Sie verdeutlichen, dass der Klimawandel von abrupten, schwer kontrollierbaren Prozessen geprägt sein könnte. Frühzeitiges Erkennen dieser Entwicklungen durch geeignete Monitoringinstrumente (z. B. mit Hilfe von Satellitendaten und Langzeitbeobachtungen) sind die Voraussetzung, um irreversible Schäden am Erdsystem durch intensiveren Klimaschutz abzuwenden.