Der Klimawandeldienst Copernicus Climate Change Service (C3S) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) haben einen gemeinsamen Bericht über den europäischen Zustand des Klimas (ESOTC) veröffentlicht. Eine entscheidende Erkenntnis ist, dass sich Europa seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt. Damit ist Europa der Kontinent mit der schnellsten Erwärmung auf der Erde. Wie die folgenden Erläuterungen zeigen, war das Jahr 2023 wieder ein Jahr der Negativrekorde.
Temperatur und Hitzestress
Wie der EU-Klimabericht für Europa ausführt, war das Jahr 2023 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Temperaturen lagen mit 1,02 bis 1,12°C über dem Durchschnitt und mit 2,48 bis 2,58°C über dem vorindustriellen Niveau. Ein Großteil von Südosteuropa und Teile West- und Mitteleuropas erlebten ihr wärmstes Jahr seit Aufzeichnung. Die Temperaturen in Europa lagen in 11 Monaten des Jahres über dem Durchschnitt, und der September war der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen.
Seit Jahren steigt die Zahl der Tage in Europa, an denen Hitzestress auftritt. So wurde im Jahr 2023 eine Rekordzahl von Tagen mit extremen Hitzestress, was einer gefühlten Temperatur von mehr als 46°C entspricht, registriert. Das hat gravierende Folgen für die Gesundheit, denn immer mehr Menschen sterben an den Folgen extremer Hitze.
Abbildung: Ranking der Jahresmitteltemperaturen 2023 für die Regionen Europas (Referenzperiode: 1991–2020). Quelle: ESOTC.
Marine Hitzewellen
Marine Hitzewellen sind längere Zeiträume mit extrem hohen Temperaturen in den Meeren und Ozeanen. Im Juni 2023 war der Atlantik westlich von Irland und um das Vereinigte Königreich von einer Hitzewelle betroffen, die als „extrem“ und in einigen Gebieten sogar als „jenseits von extrem“ eingestuft wurde. Die Wasseroberflächentemperatur lag um bis zu 5 °C über dem Durchschnitt. Im Juli und August 2023 gab es marine Hitzewellen im Mittelmeer, wobei die Wasseroberflächentemperaturen in einigen Gebieten bis zu 5,5°C über dem Durchschnitt lagen. Das kann erhebliche Auswirkungen auf die Ökosysteme und die biologische Vielfalt haben.
Abbildung: Ranking der jährlichen Mittel der Wasseroberflächentemperaturen 2023 (Referenzperiode: 1991–2020). Quelle: ESOTC.
Niederschlag
Wie der EU-Klimabericht weiter ausführt, war es im Jahr 2023 in den meisten Teilen Europas feuchter als im Durchschnitt. Das Jahr war das zweit- bis viertnasseste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen (je nach verwendetem Datensatz). Die Niederschläge schwankten im Jahresverlauf auf dem gesamten Kontinent erheblich. Die Niederlande, der Nordwesten Deutschlands, Dänemark, Slowenien, das östliche Mittelgriechenland und die westliche Türkei waren besonders nass. Die östlichen und südlichen Teile der Iberischen Halbinsel, Südfrankreich und die Länder westlich des Schwarzen Meeres waren trockener als der Durchschnitt.
Abbildung: Anomalie der Regentage 2023 (Referenzperiode: 1991–2020). Quelle: ESOTC.
Sonneneinstrahlung und Wolken
Im Jahr 2023 waren die Sonneneinstrahlung und die Sonnenscheindauer in ganz Europa überdurchschnittlich, während die Bewölkung unterdurchschnittlich war. Der September wies die ausgeprägtesten Anomalien bei der Sonnenscheindauer, der Sonneneinstrahlung und der Bewölkung im europäischen Durchschnitt auf. Die größten lokalen Anomalien gab es jedoch im April, Mai und Juni.
Abbildung: Anomalie der jährlichen Sonneneinstrahlung in Prozent für Europa (Referenzperiode: 1991–2020). Quelle: ESOTC.
Flüsse und Überschwemmungen
Wie der EU-Klimabericht weiter für das Jahr 2023 ausführt, lag in ganz Europa die jährliche Wasserführung der Flüsse im Allgemeinen im Durchschnitt. In einigen Flüssen herrschte Trockenheit, so im Ebro, der im Mai sehr niedrige Abflüsse verzeichnete, sowie im Po, der das ganze Jahr über unterdurchschnittliche Abflüsse aufwies. Im November lag die Abflussmenge für ganz Europa weit über dem Durchschnitt. Im Dezember erreichte sie in fast einem Viertel des europäischen Flussnetzes ihren höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen.
Im Mai traten in Italien 23 Flüsse über die Ufer. Rund 36.000 Menschen waren betroffen, 15 kamen ums Leben. Im August waren zwei Drittel Sloweniens von Überschwemmungen betroffen, und an 31 Stationen wurde ein Rekordhochwasser gemessen. Rund 1,5 Millionen Menschen waren betroffen, 8000 Menschen wurden evakuiert, und es gab sechs Todesopfer. Norwegen und Schweden wurden im August ebenfalls von Überschwemmungen heimgesucht. Griechenland, Bulgarien und die Türkei erlebten im September rekordverdächtige Regenfälle und Überschwemmungen. In Griechenland wurde eine Fläche von etwa 700 Quadratkilometern überschwemmt. An manchen Orten fiel an einem Tag so viel Regen wie in einem ganzen Jahr. Mindestens 17 Menschen verloren ihr Leben in Griechenland, acht Menschen in der Türkei und vier in Bulgarien. Im Dezember kam es in Nordwesteuropa zu großflächigen Überschwemmungen.
Abbildung: Anomalie der monatlichen Abflüsse europäischer Flüsse im Dezember 2023 (Skala: Rot=extrem niedrig - Blau=extrem hoch). Quelle: ESOTC.
Waldbrände
Während des größten Teils des Jahres 2023 lag die Brandgefahr in ganz Europa über dem Durchschnitt. In Portugal, Spanien, Italien kam es zu großen Bränden. Insbesondere kam es in Griechenland zum größten jemals in der Europäischen Union verzeichneten Waldbrand (90.000 ha).
Schnee
Von einigen Ausnahmen abgesehen, gab es in Europa im Winter 2023 eine weit unterdurchschnittliche Anzahl von Schneetagen und im Frühjahr eine fast durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Anzahl von Schneetagen. In den Alpen gab es im Winter nur an drei Orten mehr Schneetage als im Durchschnitt, während an den meisten Orten die Zahl der Schneetage weit unter dem Durchschnitt lag.
Abbildung: Anomalie der Anzahl der Schneetage im Winter (Dezember 2022 bis Februar 2023) im Vergleich zum Durchschnitt des Referenzzeitraumes 1991-2020. Orte mit einer annähernd durchschnittlichen Anzahl von Schneetagen innerhalb von +/- 5 Tagen sind nicht dargestellt. Quelle: ESOTC.
Gletscher
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verlieren fast alle Gletscher der Erde an Masse. Die europäischen Alpen gehören zu den Regionen, in denen die Gletscher am stärksten schrumpfen. Im Jahr 2023 verzeichneten alle Gletscher Europas einen Netto-Eisverlust. Nach dem Rekord-Eisverlust im Jahr 2022 war es ein weiteres außergewöhnliches Verlustjahr in den Alpen. In diesen beiden Jahren haben die Gletscher in den Alpen rund 10 % ihres Volumens verloren.
Abbildung: Massenänderung der Gletscher in Europa im Jahr 2023. Die jährlichen Massenänderungen werden in der Einheit „Meter Wasseräquivalent (m w.e.)“ angegeben. Quelle: ESOTC.