Gletscher im Klimawandel: Neue Studie zur Quantifizierung der Abnahme der Gletscherzahlen

Veröffentlicht am 17.12.2025

Eine internationale Forschergruppe hat im Fachblatt Nature Climate Change erstmals die Anzahl der Gletscher bis zum Ende des Jahrhunderts prognostiziert. Sie stellten fest, dass der Rückgang von Gletschern infolge des anthropogenen Klimawandels nicht linear verläuft, sondern in den kommenden Jahrzehnten einen Höhepunkt erreichen wird. Dabei sind der Zeitpunkt des Höhepunktes und die Stärke der anschließenden Abnahme der Gletscherzahlen davon abhängig, wie stark sich das Klima erwärmt und welche Gebirgsregion betrachtet wird.

Ergebnisse
Die Forschenden nutzten globale Gletschermodelle, um den Gletscherverlust der mehr als 200.000 berücksichtigten Gletscher zu quantifizieren. Dabei berücksichtigten sie vier globale Erwärmungsszenarien:

  • +1,5 °C bzw. +2,0 °C Erwärmung bis 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Das entspricht dem Pariser Abkommen.
  • +2,7 °C Erwärmung bis 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Das entspricht den derzeitigen politischen Zusagen.
  • +4,0 °C Erwärmung bis 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Diese Erwärmung tritt zum Ende des Jahrhunderts auf, wenn man höhere Treibhausgasemissionen annimmt. 

Global betrachtet ergeben sich folgende Ergebnisse (siehe Abb. 1):

  • Die Zahl der jährlich „sterbenden“ Gletscher kommt spätestens in der Mitte dieses Jahrhunderts auf einen Höchstwert. Dabei ist der Zeitpunkt dieses Maximums abhängig vom angenommen Klimaszenario.  
  • Unter einem begrenzten Erwärmungspfad (+1,5 °C) liegt der Höhepunkt des Verlustes bei knapp 2000 Gletschern pro Jahr, bei höheren Erwärmungen (+4,0 °C) bei bis zu etwa 4 000 Gletschern pro Jahr. 
  • Danach sinkt die jährliche Verlustzahl, weil nur noch wenige große Gletscher übriggeblieben sind. 
Bild
Die Punkte zeigen die prognostizierte Anzahl der jährlich verschwindenden Gletscher verschiedener Klimaszenarien (Werte auf der linken y-Achse) in unterschiedlichen Regionen (Alpen entspricht der Grafik „Central Europe“). Die durchgezogenen Linien stellen 11-jährige gleitende Mittelwerte dar. Die gepunkteten Linien geben den kumulativen Prozentsatz der seit 2025 verlorenen Gletscher an (Werte auf der rechten y-Achse), wobei die schattierten Bereiche das 25. bis 75. Perzentil zeigen.

Abb. 1: Die Punkte zeigen die prognostizierte Anzahl der jährlich verschwindenden Gletscher verschiedener Klimaszenarien (Werte auf der linken y-Achse) in unterschiedlichen Regionen (Alpen entspricht der Grafik „Central Europe“). Die durchgezogenen Linien stellen 11-jährige gleitende Mittelwerte dar. Die gepunkteten Linien geben den kumulativen Prozentsatz der seit 2025 verlorenen Gletscher an (Werte auf der rechten y-Achse), wobei die schattierten Bereiche das 25. bis 75. Perzentil zeigen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden schattierte Bereiche nur für die Szenarien +1,5 °C und +2,7 °C dargestellt. Die Variable n ist die Gesamtzahl der Gletscher im Jahr 2025. Quelle: Nature Climate Change, abgerufen am 17.12.2025.

Ein Vergleich zur Einordnung des Gletscherschwundes: Diese Verlustraten entsprechen global gesehen dem Gesamtbestand der Alpengletscher allein in einem einzigen Jahr. Die europäischen Alpen gehören zu den Regionen mit vielen kleinen, schnell reagierenden Gletschern. Ihre Anzahl wird schon sehr früh im Jahrhundert stark schwinden:

  • Mehr als die Hälfte der Alpen-Gletscher dürfte innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte verschwunden sein. Das ist vor allem auf ihre geringe Größe zurückzuführen.
  • Wegen der Vielzahl kleinerer Eisflächen ist der Höhepunkt des Gletscherverschwindens in den Alpen vergleichsweise früh, also vor 2040 (siehe Abb. 1 die Grafik für „Central Europe“).

Diese unterschiedlichen Zahlen spiegeln nicht nur allein die Klimaprojektionen wieder, sondern auch die Unterschiede zwischen den Regionen: In Gebieten mit größeren und volumetrisch mächtigeren Gletschern — etwa in Asien oder in arktischen Zonen — verschiebt sich das Maximum der Gletscherschwundrate weiter im Jahrhundert nach hinten.

Fazit
Die neuen Daten bestärken, was Klimaforscher seit Jahren beobachten: Die Gletscher der Erde reagieren empfindlich auf steigende Temperaturen. Die Zahl der jährlich verschwindenden Gletscher erreicht im Verlauf des 21. Jahrhunderts einen Höhepunkt, danach nimmt sie wieder ab, aber nicht weil das Schicksal der Gletscher abgewendet wäre, sondern weil weniger von ihnen übrig bleiben. Für die Alpen bedeutet das insbesondere, dass viele kleinere Gletscher schnell verschwinden werden.